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2.4.5 Ensheim und der Verlust der kommunalen Selbständigkeit (1974)

Die bereits im vorigen Abschnitt angesprochene Aufwärtsentwicklung in Ensheim setzte sich auch nach der Saarabstimmung fort. Neue Betriebe entstanden und erlebten eine dynamische Entwicklung (Fa. Hager und Fa. Brück), schufen Hunderte von Arbeitsplätzen und sorgten auch für die ersten "Gastarbeiter" in Ensheim. Von dieser Entwicklung hat die Generation meiner Eltern, vor allem aber meine Generation außerordentlich profitiert. Der heutige Wohlstand in Ensheim ist nur erklärbar mit der Aufbauleistung der 50er bis 70er Jahre.

In der Folgezeit wurde die Infrastruktur erheblich verbessert: so wurde der Ausbau des Ensheimer Flugplatzes zu einem Verkehrsflughafen beschlossen und eine Umgehungsstraße mit einer besseren Anbindung des Bliesgaus an die Region Saarbrücken realisiert. Außerdem wurden weitere Betriebe angesiedelt und damit neue Arbeitsplätze geschaffen - in einer Region mit einer im Sterben liegenden Industriekultur eine besonders wichtige Sache! Diese Sache hatte allerdings ihren Preis: Bei der heftig umkämpften Gebietsreform der damaligen CDU-Regierung büßte Ensheim, nicht zuletzt auch wegen seiner hohen Steuerkraft und wegen des auf seinem Bann gelegenen Flughafens, seine kommunale Selbständigkeit ein und wurde am 1. Januar 1974 der Landeshauptstadt einverleibt - übrigens gegen das eindeutige Votum (96 %) seiner Bewohner! Grundlage für diese Maßnahme war das auf Betreiben des damaligen Innenministers Schnur von der CDU-Mehrheit verabschiedete Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes vom 19.12.1973 (veröffentlicht im Amtsblatt, S. 852). Der Mundartautor Paul Glass aus Ensheim hat das Ereignis in einer Büttenrede im Jahr 1976 »gewürdigt«.

Ja, man kann es nicht oft genug wiederholen: Den Verlust seiner Selbstständigkeit verdankt Ensheim einzig und allein der CDU - auch wenn das viele Vertreter und auch Wähler dieser Partei heute nicht mehr wahrhaben wollen. Es war damals ein Lehrbeispiel in Sachen Demokratie. Die Betroffenen wurden nämlich nicht gefragt, sondern der saarländische Landtag hat über ihre Köpfe entschieden. Die zahlreich vorgetragenen Argumente der Gemeinde Ensheim (siehe Dokumente!) wurden nicht berücksichtigt, weil das Vorhaben der Stadt Saarbrücken, sich die aufstrebende Nachbargemeinde unter den Nagel zu reißen, unbedingt durchgedrückt werden sollte - nachhaltig unterstützt vom damaligen CDU-Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder. Der Willen der Ensheimer Bevölkerung war den Herrschenden völlig egal: Bei einer Bürgerbefragung am 7. Mai 1972 haben 98,36 % der an der Abstimmung teilnehmenden Ensheimer gegen die Eingemeindung nach Saarbrücken und für die Bildung einer Einheitsgemeinde votiert. Bei der Entscheidung über das Modell der neu zu bildenden Einheitsgemeinde gab es folgendes Resultat:

Bereits in der Bürgerversammlung am 21. April 1972 hatten sich die etwa 300 Teilnehmer einstimmig gegen die Eingemeindung nach Saarbrücken ausgesprochen. Ich erinnere mich noch an jene legendäre Versammlung im Saal des ehemaligen Kinos Kohl im Dezember 1973, wo die aufrechten Ensheimer noch einmal demonstriert haben, nicht gegen ihren Willen nach Saarbrücken eingemeindet zu werden.

Der Kampf war bekanntlich umsonst: Seitdem heißt Ensheim offiziell Saarbrücken-Ensheim und ist (der Fläche nach) zweitgrößter Stadtteil der saarländischen Metropole.

Der stark in der öffentlichen Kritik stehende Innenminister Schnur trat übrigens kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Gebietsreform von seinem Amt zurück, aber dafür konnten sich die Ensheimer nichts kaufen.

Als ein paar Jahre später die Auswirkungen der Gebietsreform überprüft und die Gemeinden Bouswurden, wurde die Eingemeindung 

Dokumente:

Surftipp zum Thema »Gebietsreform«: http://www.innen.saarland.de/558_3901.htm [Aufruf am 13.11.2004] 


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Last update: 27.05.2009            © Paul Glass 1997 - 2001 ff