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Home / Die Ensheimer Geschichte im Überblick / Ausschnitte aus dem politisch-kulturellen und sozialen Leben in Ensheim


2.6.4 Das Ensheimer Schulwesen


Exkurs: Die Evangelische Volksschule in Ensheim


Vom prot. Schulwesen in Ensheim

Überhaupt scheinen zu damaliger Zeit die Ensheimer Vikare besonders geplagte Leute gewesen zu sein. Ensheim galt offensichtlich jahrzehntelang als "gefürchtete" Pfarrstelle, zumindest für Anfänger im kirchlichen Dienst, die damit rechnen mußten, nach Ensheim beordert zu werden. Denn hier mußte von Anbeginn an der jeweilige Vikar oder Pfarrer von Montag früh bis Samstag mittag vollbeschäftigter Lehrer sein und daneben Geistlicher eben einer Diasporagemeinde von 9 Dörfern mit all den weiten und beschwerlichen Wegen dazwischen. Um den Bestand der prot. Gemeinde zu sichern, das evangelische Bewußtsein der einzelnen Gemeindeglieder zu stärken und nun endlich an Ort und Stelle den ev. Schulkindern eine religiöse Unterweisung schon in der Schule zukommen lassen zu können, machte sich gleich bei Errichtung des Vikariats in der Gemeinde der Wunsch geltend nach Errichtung einer eigenen prot. Schule und Anstellung eines prot. Lehrers. Schon unter dem 13. Juli 1869 teilt das Kgl. Bezirksamt Zweibrücken dem Bürgermeisteramt Ensheim mit, daß "auf deßfalls anher gestellte Bitte vom 30. d. Mts." dem Vikar Jung in Ensheim die polizeiliche Bewilligung erteilt werde, eine Privatschule für die prot. Kinder der Gemeinden Ensheim und Eschringen in Ensheim errichten zu dürfen, welche 

"eine den Unterricht an den deutschen Schulen umfassende Bildung geben soll und darum alle Unterrichtsgegenstände in sich zu begreifen hat, welche für die Volksschulen vorgeschrieben sind, deren Lehrplan auch für die genannte Privatschule gilt. Diese Privatschule steht unter der unmittelbaren Überwachung des Bürgermeisteramts und der Ortsschulkommission von Ensheim, und unter der Aufsicht der unterfertigten Verwaltungsbehörde (Zweibrücken) und der kgl.-prot. Districtschulinspection für den Kanton St. Ingbert, welch letztere Behörde alljährlich die Schule mit den übrigen deutschen Schulen ihres Bezirks einer ordentlichen Visitation unterwerfen wird." 

Der erste Ensheimer Vikar war also zugleich der erste Lehrer dieser ev. Privatschule in Ensheim, der Vikar bekam für Schulhalten jährl. 100 Gulden. (Nicht uninteressant dürfte es sein, hier zu bemerken, daß dem besagten Vikar Jung im Frühjahr 1872 für eine Kandidaten-Prüfungsarbeit das Thema gestellt wird: "In welcher Weise hat die evangelische Kirche den communistischen Bestrebungen unserer Zeit zu begegnen?"!!) Künftig wurde also dem jeweiligen Vikar automatisch auch die Funktion eines prot. Lehrers an der Privatschule übertragen. Entscheidend für dieses Doppelamt war auch, daß es an Mitteln für die Einstellung eines eigenen prot. Schulverwesers fehlte und die politische Gemeinde zur Anstellung eines ev. Lehrers wegen der geringen Schülerzahl nicht verpflichtet war. 

In den folgenden Jahren hat man immer wieder versucht, einen eigenen ev. Lehrer nach Ensheim zu bekommen, ein solcher Antrag wird aber am 17. Mai 1897 wiederum abschlägig beschieden. Es ist begreiflich, daß nicht jeder Vikar die erforderliche, auch praktische, Vorbildung und zugleich die Begabung für diesen Schuldienst mitbringen konnte, auch mag diese Doppelbelastung manchem jungen Diener im Amte - von dem in Ensheim auch die musikalische Befähigung zum Harmoniumspiel verlangt wurde - über seine Kräfte gegangen sein. So klagt der Vikar Stübinger in einer Eingabe an das Dekanat Zweibrücken am 19.8.1887 mit bewegten Worten:

 "Mein Erschöpfungszustand hat einen solchen Grad erreicht, daß ich nach Schluß des täglichen Unterrichts um 11 Uhr den ganzen Nachmittag wie in Betäubung auf dem Bette liegend in völliger geistiger und körperlicher Unthätigkeit verbringen muß und erst gegen Abend zu kurzer Arbeit fähig bin. Eine Besserung liegt in weiter Ferne, da die Schulferien erst am 21. September beginnen. Die kleinste Aufregung macht mich ganz elend, so vermag ich mich heute vormittag nur mitäußerster Energie aufrecht zu halten, und es besteht die Gewißheit, daß eine Kirchenvisitation, eine Katechese meinerseits von vornherein nicht zu gedenken, mir auf den Tag die Unfähigkeit zu predigen mit sich bringt und eine große Verschlimmerung meines Leidens herbeiführt."

Trotz der mancherlei Mängel und Schwierigkeiten blieb diese Privatschule als prot. Volkshauptschule bestehen, was auch die Schulakten und die ziemlich lückenlos erhaltene jährliche "Lehrstoffvertheilung mit Lehrnachweis", Schülerlisten, Zensurbogen und Versäumnisverzeichnisse ausweisen. Erst dem Vikar Oeffler (1927-1931), der in einem ausführlichen Jahresbericht  die methodischen Unterrichtsschwierigkeiten und die sonstigen Mängel der einklassigen Schule herausstellte, gelang es, die Kirchengemeinde in einer Gemeindeversammlung am 15. April 1928 von der Notwendigkeit der Auflösung der prot. Privatschule zu überzeugen, weil sie wegen des Mangels an Lehrmaterial und Unerfahrenheit des Pfarrers im Lehrerberuf pädagogisch untauglich sei, daher den Kindern nicht die nötige Bildung beibringen könne, deswegen nur von einer ungenügenden Anzahl von Schülern besucht werde und schließlich den Pfarrer zu sehr hindere, seiner eigentlichen Arbeit in der Gemeinde in gehöriger Weise nachzukommen. Der Beschluß der Auflösung und die Umschulung der ev. Kinder in die Staatsschulen in Ensheim, Eschringen und Ormesheim wurde von der Regierung in Saarbrücken am 30. Juni 1928 genehmigt.

In Ensheim als der mater der kleinen, aber weit verstreuten Diasporagemeinde blieb jedoch in der ev. Elternschaft der Gedanke lebendig, ein Gegenüber zur großen örtlichen kath. Konfessionsschule zu behalten und damit ihren Kindern die Möglichkeit evangelischer Unterweisung, noch vor Eintritt in den Konfirmandenunterricht und ohne die anderskonfessionelle Beeinflussung durch die kath. Schule, durch eine ev. Lehrkraft zu gewährleisten.

 Auf Initiative des damaligen Vikars Emrich kamen die notwendigen Unterschriften zusammen, und mit einem Schuleröffnungsgottesdienst am 25. August 1952 erfolgte der Start einer neuen ev. einklassigen Schule in Ensheim, diesmal aber als einer regulären staatlichen Schule. Es war nicht verwunderlich, daß die neue Schule auch Gegner hatte. Die Gemeindeverwaltung als Träger der Schullasten wehrte sich gegen die Mehrkosten, und die Elternschaft war zum Teil darüber besorgt, ob die neu entstandene einklassige Schule den Schülern die gleichen Bildungsmöglichkeiten wie eine vollausgebaute Schule mit Jahrgangsklassen bieten könne.

Nach Lehrer Trapp / St. Ingbert übernahm Herr Heinz Royar aus Gersheim im Herbst 1956 die Leitung der kleinen Schule. Herr Royar verstand es als Schulleiter und späterer Hauptlehrer, in den 11 Jahren seiner Wirksamkeit an dieser Schule trotz der mancherlei Unzulänglichkeiten, Mängel und Schwierigkeiten, die zuweilen in der räumlichen Beengtheit, der Dürftigkeit der Ausstattung und vor allem bei einer einklassigen Schule in der Sache selbst begründet waren, diese Schule im Laufe der Jahre durch seine große pädagogische Begabung, durch strenge Anforderungen an die Schüler, durch seine vorbildliche Gewissenhaftigkeit in den kleinsten Dingen und durch nimmermüden Eifer um die Förderung jedes einzelnen Kindes zu Höchstleistungen zu bringen. 29 Schüler vollzogen während dieser Zeit den Übergang zu einer höheren Schule, und 8 Studentinnen und Studenten der Pädagogischen Hochschule Saarbrücken leisteten an dieser Schule ihr Landschulpraktikum ab. Durch verstärkten Wegzug von ev. Familien, durch die jahrelange Stagnierung der Ensheimer Einwohnerzahl und vor allem durch die Überführung der Oberstufe in entsprechende Schulen nach St. Ingbert seit dem Sommer 1965 ging die Schule leider infolge der immer mehr schwindenden Schülerzahl ihrem Ende entgegen. Als am Beginn des Schuljahres 1967 die Zahl der Schüler (= Grundschüler, 1. - 4. Schuljahr) nur noch 13 betrug, war in absehbarer Zeit die behördliche Schließung der Schule zu erwarten. Um einen solchen Verwaltungsakt des Ministeriums zu vermeiden, wurde den betreffenden Eltern von der Schulaufsichtsbehörde nahegelegt, selbst die Umschulung ihrer Kinder in andere Schulen zu beantragen, wofür sich die kath. Volksschule Ensheim, die Christl. Gemeinschaftsschule Fechingen oder die ev. Volksschulen in St. Ingbert anboten. Zum 1. November 1967 hörte damit die ev. Volksschule Ensheim zu bestehen auf.

Quelle: Presbyterium der  prot. Kirchengemeinde Ensheim (Hrsg.): 100 Jahre Protestantische Kirche und Gemeinde Ensheim-Saar 1869 - 1969. Ensheim o. J.,  freundlicherweise eingesandt von Heinz Royar im Januar 2006


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Last update: 28.01.2006                        © Paul Glass 1997 - 2001 ff