Die Ensheimer Mundart ist eine Variante der alemannischen Mundart und damit mit den lothringischen Mundarten eng verwandt, die gleichen Ursprungs sind. Zugleich weist sie markante Merkmale der rhein-fränkischen Mundarten auf und grenzt sich so sehr stark vom im westlichen und nördlichen Saarland gesprochenen Moselfränkischen ab.
Die Alemannen waren bekanntlich ein germanischer Volksstamm, die im dritten bis fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung den Römern Südwestdeutschland, das Elsaß und die Ostschweiz entrissen hatten, bevor sie selbst um 500 n. Chr. von den Franken unterworfen wurden, ohne allerdings ihre eigene Sprache aufzugeben. So erklärt es sich, warum noch heute in den Gebieten um Freiburg im Breisgau, um Basel sowie in weiten Teilen des Elsaß und Lothringens die alemannische oder hochalemannische Mundart stark verbreitet ist, wobei natürlich in jedem der genannten Bereiche lokale sprachliche Besonderheiten auftreten.
Über die Entstehung der alemannischen Komponente der Ensheimer Mundart gibt es unterschiedliche Theorien, die allerdings noch ungenügend erforscht sind.
So wird beispielsweise angenommen, der wahrscheinliche Gründer und Namensgeber Ensheims, ein gewisser Ones oder Onis, sei alemannischer Herkunft gewesen und habe damit auch die alemannische Mundart mitgebracht. Diese Annahme trifft meiner Ansicht nach nicht zu, weil im 30-jährigen Krieg fast die gesamte Einwohnerschaft entweder ums Leben gekommen oder geflüchtet und nicht mehr zurückgekehrt war und damit auch diese Sprache verschwunden sein muß.
Logischer erscheint mir eine andere Theorie, wonach die Neusiedler, die nach dem 30-jährigen Krieg ins Land gerufen wurden, um das zerstörte Land wiederaufzubauen, diese Sprache mitgebracht haben. Es handelte sich offenbar vor allem um Siedler aus der Mittel- und Ostschweiz sowie aus Teilen Lothringens. Diese Besiedlung ist aber noch nicht ausreichend erforscht worden; deshalb sollte auch letztere Theorie noch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Unstrittig ist demgegenüber, daß sich die Ensheimer Mundart durch markante Unterschiede klar von den Mundarten der Nachbardörfer wie Ommersheim, Ormesheim, Heckendalheim, Fechingen, Brebach usw. abhebt, wie im nächsten Kapitel zur Aussprache und Grammatik deutlich werden wird.
An dieser Stelle möchte ich auch auf den sprachlichen Wandel eingehen, dem sicherlich auch Mundarten unterworfen waren bzw. es noch immer sind. So bin ich der Meinung, daß dieser Sprachwandel durchaus für die ganze Zeit von der Wiederbesiedlung Ensheims nach dem 30jährigen Krieg bis heute mehr oder weniger existent war, bedingt durch die starken Zuwanderungsraten im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor allem im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Firma Adt. Sicherlich haben die zugewanderten Neu-Ensheimer auch das eine oder andere Wort oder diese oder jene Redensart aus ihrer Sprache in der Ensheimer Mundart "abgeladen" - allerdings ist eine etymologische und sprachgeographische Untersuchung der Ensheimer Mundart so gut wie unmöglich, weil es praktisch keine schriftlichen Zeugnisse in und von dieser Sprache gibt. Der Autor hat selber 1975/76 versucht, der Ensheimer Mundart eine einheitliche Schreibweise zu geben, was aber inzwischen schon einiger Korrekturen bedarf. Mit anderen Worten: ich halte auch für das Ensemma Pladd eine "Rechtschreibreform" für notwendig.
Viel größer als der Einfluß der Zuwanderer zwischen 1800 und 1950 dürfte aber der sprachliche Wandel sein, der in den letzten drei, vier Jahrzehnten leider auch Ensheim nicht verschont hat: die Mundart der heutigen jungen Generation ist längst nicht mehr die Sprache ihrer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern - zu groß waren und sind die Einflüsse der Gegenwartskultur, insbesondere von Radio und Fernsehen, und die Auswirkungen des verbesserten Bildungsniveaus (durch Besuch weiterführender Schulen in St. Ingbert und Saarbrücken) sowie der jetzt viel höheren Mobilität. Die Möglichkeiten, aus dem Dorf "herauszukommen" und andere sprachliche Ebenen und Kulturen zu erleben, sind dadurch immens geworden und werden auch für vielfältige Kontakte genutzt.
Eine interessante Erfahrung noch zum Schluß: Als ich meine bisherigen Mundartbücher veröffentlicht hatte, bekam ich immer wieder mal bei
einzelnen Wörtern als Kritik zu hören: "Dass seed ma awwa so nidd in
Ensemm!" - für mich ein Beleg,
Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluß eines nicht aus Ensheim stammenden Elternteils, der ja nicht auf seine bisherige Mundart oder Sprache verzichtet und so auch die Kinder aus einer solchen Verbindung prägt. Ich selber stamme aus einer Familie, die zwar nicht zu der Gruppe der Neusiedler nach dem 30jährigen Krieg zählt, die aber doch seit mehreren Generationen in Ensheim lebt und so sicherlich stark durch das Ensemma Pladd geprägt worden ist. Weit über hundert bisher nachgewiesene Ensheimer Vorfahren in meiner Ahnenreihe haben sicherlich auch ihre sprachlichen Spuren mehr oder weniger deutlich bei mir hinterlassen...
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