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Extra-Info: Die Ensemma Faasenachd


Ein Augenzeugenbericht von Manfred Vogelgesang, Ensheim [1997]


So eine Ensemmer Faasenacht hat es in sich. Die Faasebooze bereiten sich schon fast rituell darauf vor.

Zuerst wird die Leber auf verschiedenen Hausbällen und Partys auf die verschärft feuchtlustige Lebensweise eingestimmt. Der Leber folgt die Stimme. Nur was mächtig laut ist, - klingt auch mächtig gut.

Und parallel dazu wird der Rosenmontag herbeigebetet. Die Fußgruppen nähen mit heißer Nadel die Kostüme, die Wähnchesfahrer kloppen, schrauben, malen und schmücken ihren Faasenachtswoon (Fastnachtswagen). Die ersten Härtetests für Mann und Material laufen bei den Maskenbällen in der Gemeinschaftshalle und in der Umgebung an. Dort wird der
Faasebootz (Fastnachtsnarr) in Sachen Stehvermögen, Ausdauer, Dauerschunkeln und Tanzen gestählt. Dieser Schnellkurs macht binnen weniger Tage aus einem Schlaffi, einen durchtrainierten, ausdauernden, mit goldener Kehle " ALLÉZ hopp" (der Saarfranzos läßt grüßen - alléz hopp zu deutsch: los geht's) rufenden Faasebootz. Die goldene Stimme, die grazile Haltung und das nicht endenwollende Fassungsvermögen des Magens sind allerdings nicht von allzulanger Dauer. Ernst Neger hat dies
schon in jungen Jahren erkannt und den Schmerz in Iindernd-milde Töne gefaßt: "Am Aschermittwoch ist alles vorbei." Und wie bei jedem Leistungssport so bleibt auch hier ein Muskel-Kater zurück.

Doch daran denkt am Rosenmontag noch keiner.

Frühmorgens, 11.30h, wandere ich durch unser Dorf.

High Noon ist nichts dagegen. Wie ausgestorben liegt das Dorf zu meinen Füßen. Ab und zu rauscht ein Auto vorbei, bestrebt diesem gespenstischen Szenario zu entkommen. Die Luft ist voller Faasenachtsenergie. Es kribbelt und knistert an allen Ecken und Kanten!

So langsam kehren bei mir die Lebensgeister zurück. Ich versuche den Vorgang zu rekonstruieren. Wie war das noch mal?

Viele, viele Aldi's, - das sind Männer und Frauen, die sich gewaltige Brüste umhängen, Ärsche, pardon - Hinterteile aus Muttis Kopfkissen formen, Unterwäsche aus Gardinen anziehen und als Oberteil und Überhang gehäkelte Tischdeckchen sich umhängen. An den Händen finden sich Omas Seidenhandschuhe und an den Füßen Stöckelschuhe der Marke Schuhkarton XXL. Der krönende Abschluß ist ein selbstgebauter Hut, der aus einem "Blechdibbe" als Grundgerüst, obenauf ein Lampenschirm mit Gummibooten oder Vogelbauern, Flipperautomaten, Sirenen, Hupen, Rasseln, Baustellenlampen, Plüschtieren oder sonstigem Firlefanz kunstvoll ausgeschmückt ist. Die obligatorische "Honddasch" (Handtasche), " 's
Aldi-Gesicht" (Altfrauenmaske) und "- e Durscht honse, grad wie e Dohle!"(Durst wie ein Straßengulli), diese drei wichtigsten Utensilien dürfen nicht fehlen -, solche Gestalten und einige Dominos (Domino wird nächstes Jahr erklärt) ziehen von Haus zu Haus, sind fröhlich und ausgelassen, - unn durschdisch, grad wie e Dohle.

 



NUN GERADE DIE; DIE ICH BESCHRIEBEN HABE; haben auch bei mir geklingelt und um Einlaß gebeten. Ich bin, Ihr wißt dies ja, ein umgänglicher, geselliger Mensch, der die Nähe und Gesellschaft von fröhlichen, singenden und freundlichen Menschen braucht, "'- unn viel Durscht hann isch AA " Also habe ich diesen armen Wesen geöffnet, und Ihnen etwas zum Trinken angeboten: Bitburger und selbstgebrannten Schnaps, und Bitburger und selbstgebrannten Schnaps, und Bitburger und
selbstgebrannten Schnaps, und ....


Dieses Ritual geht manchmal bis in die späten Morgenstunden und ist sehr anstrengend! Vor allem am Tag danach...

Es ist frühmorgens 11.30h, und ich wandere durch unser Dorf

Diese Mischung aus Zwetschgen-, Mirabell-, Williamsbirn- und Apfelschnaps, kombiniert mit Karlsberg-Ur Pils und Bitburger, - diese Mischung scheint mir verantwortlich für diesen dumpfen, pulsierenden Schmerz aus einer ungeahnter Tiefe meines zum Zerreißen gespannten Kopfes, und da ist noch dieses nicht enden wollende Gefühl, diese unbeschreibliche Begierde, diese nie gekannte Sehnsucht, kurz dieser

Durst !!

Rosenmontag - Frühmorgens, 11.30h.

Ich kaufe das wenige, daß ich in diesen Tagen zum (Über-)Leben brauche noch schnell ein. Fünf Kisten Bitburger und ein Glas Rollmöpse. 

Rosenmontag - Morgens, 12.00h.

Im Örtchen kommt Leben auf. Furchtbar zerknautschte Gestalten quälen sich über die Straße. Die Augen ob des hellen, grellen Tageslichts zusammengekniffen und die Beine, der unebenen Erde wegen, im 30°- Winkel seitlich abgespreizt. Heiser und schwach klingen die Rufe dieser tapferen Faasebooze: "ALLÉZ HOPP - ALLÉZ HOPP" zu dieser frühen Stunde - verständlich. 

Rosenmontag - später Vormittag, 12.30h.

Ein Knistern geht durch den Ort. Die Schläfrigkeit ist einem emsigen Treiben gewichen. Fußspuren huschen elfengleich an mir vorbei, singend, tanzend und lachend. Die Arme werden in unfaßbaren 360° Bewegungen durch die Luft geworfen und die Beine (entgegen allen Gesetzen der Schwerkraft) senkrecht in die Luft gestellt.

Die Aufstellung für den Rosenmontagsumzug hat begonnen. Traktoren werden fein geschmückt mit wunderbaren Anhängern und noch wundervolIeren Faasebooze rangiert. Trucks, So hat die Welt noch nichts gesehen, ziehen in nicht enden wollender Reihe mit Aufbauten, - wie sie nur ein Narr bauen kann, an mir vorbei. Unser verschlafenes Dorf entwickelt sich zu einem kochenden und sprudelnden Vulkan. Aus aller Welt kommen die Besucher um dieses Schauspiel live mitzuerleben. Reporter und Kamerateams stehen an den Fenstern und basteln geschäftig an den Geräten und Kolleginnen herum. Lautsprecher werden aus dem Fenster gehängt und Ernst Neger singt mit seinen Gesellen um die Wette.

Menschenmengen flankieren die Straßen, die ersten Narren singen, schunkeln und tanzen wieder. Und einige probieren mutig den ersten Schnaps von Toni, oder Egon oder eben einem total unbekannten Faasebooz. Getreu meinem Motto "Ähner gehd noch rinn, und zwische Lewwer un Milz baßt noch e Pils" (einer geht noch rein, und zwischen Leber und Milz passt immernoch ein Pils) bin ich mit meinen Freunden auch mit von der Partie . Die Kinder laufen sich schon warm, denn die Sportart "Guzzja fange" (Bonbons fangen) ist sehr strapaziös. 

Rosenmontag, de Zuuch kimmt!! (der Zug kommt)

Aus tausend Kehlen erschallt dieser Ruf. Fiebrig glänzen die Augen der Kinder, und trocken sind die Gurgeln der Eltern. Aufgebraucht ist die eiserne Ration, denn der Zuuch hat eine dreiviertel Stunde Verspätung. Aber das tut der guten Laune keinen Abbruch, denn an den Wagen gibt's ja genug Nachschub. Vorneweg die Polizei, mit Blaulicht eins, zwei, drei, dahinter kommt der erste Fanfarenzug, und dahinter gibt es auch schon wieder was zu Trinken. 

Schumacher mit seinem Ferrari-Team, Theo, Oskar und Helmut im Gefolge, ein Zeppelin durch die Straße schwebt, ein Blues Dampfer mit Getöse die Stimmung bebt. (Dieser Reim war beabsichtigt) Und es wird gelacht, gesungen, geküßt, getanzt getrunken...

Der Zug zieht vorbei mit Hexen, Urmeln, Schnapsdrosseln, 101 Dalmatiner, Cowboys, Indianer, Fesselballons .... . Alle sind guter Dinge, und erfüllen mit Bravour ihre heilige Faasebooze-Pflicht. Und es wird gelacht, gesungen, geküßt, getanzt, getrunken... 


Ab geht es in die Halle, denn dort wo sich noch vor ein paar Tagen das Trainingslager dieser Narren befand, dort tanzt heute der Bär Manfred tanzt eh nicht besonders. Umfallen ist nicht möglich, denn die Halle ist zum Bersten voll.

Leider muß ich mich aus dem Trubel lösen und nach Hause gehen, denn ich erwarte Gäste! Einige, die beim Umzug dabei waren kommen heute zu mir. Denn nun tanzt bei mir der Bär.

Und es wird gelacht, gesungen, geküßt, getanzt, getrunken..

Es kommen alle, die DaImatiner, die Schnapsdrosseln, die Augsburger Puppenkiste, und dazwischen noch ein paar überlebende Aldi's. Bis weit in die Nacht bleiben die Faasebooze und meine Vorräte gehen zur Neige. Wir sind glücklich und zufrieden, denn meine Faasebooze waren alle so diszipliniert, das noch nicht ein Schnapsglas kaputt ging, und keiner hat bei mir auch nur eine Zigarette geraucht. Das ist bei einem Durchmarsch von fast Hundert Narren eine kleine Sensation!

Alle kommen wieder, das haben sie mir alle versprochen, das nächste Mal wenn es wieder heißt:

s’ischt Faasenacht!

Dann wird wieder gelacht, gesungen, geküßt, getanzt, getrunken...

Alléz hopp !!!

Ich danke dem Autor Manfred Vogelgesang für das Recht zur Veröffentlichung und Francisco Sierra Garrido für den Tipp! P.G.


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Last update: 01.02.2006                © Paul Glass 1997 - 2001 ff