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4.13 EP-Überblick: Die Ensheimer Mundart - kurz gefasst


’S Ensemma Pladd

Kurzvortrag über die Mundart von Ensheim-Saar anlässlich des Mundartnachmittags des Mundartrings Saar am 14.09.2003 in Saarbrücken-Ensheim

Von Paul Glass

1.    Die Entstehung der Ensheimer Mundart

Die Ensheimer Mundart gehört zu den rheinfränkischen Mundarten. Zugleich weist sie markante Merkmale der alemannischen Mundarten auf und ist damit mit den lothringischen und elsässischen Mundarten eng verwandt, die gleichen Ursprungs sind. Andererseits grenzt sie sich sehr stark vom im westlichen und nördlichen Saarland gesprochenen Moselfränkischen ab.

Die Alemannen waren bekanntlich ein germanischer Volksstamm, die im dritten bis fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung den Römern Südwestdeutschland, das Elsass und die Ostschweiz entrissen hatten, bevor sie selbst um 500 n. Chr. von den Franken unterworfen wurden, ohne allerdings ihre eigene Sprache aufzugeben. So erklärt es sich, warum noch heute in den Gebieten um Freiburg im Breisgau, um Basel sowie in weiten Teilen des Elsass und Lothringens die alemannische oder hochalemannische Mundart stark verbreitet ist, wobei natürlich in jedem der genannten Bereiche zum Teil ausgeprägte lokale sprachliche Besonderheiten auftreten.

Nach wie nicht erforscht ist die tatsächliche Herkunft dieser alemannischen Komponente der Ensheimer Mundart. Es gibt unterschiedliche Theorien, die allerdings noch näher untersucht werden müssten:

Theorie 1 geht davon aus, der wahrscheinliche Gründer und Namensgeber Ensheims, ein gewisser Ones oder Onis, sei alemannischer Herkunft gewesen und habe damit auch die alemannische Mundart mitgebracht. Dies ist nicht nachzuprüfen, weil es keinerlei schriftliche Zeugnisse der damals in Ensheim gesprochenen Sprache gibt.

Logischer erscheint mir Theorie 2, wonach die Neusiedler, die nach dem 30jährigen Krieg ins Land gerufen wurden, um das zerstörte Land wiederaufzubauen, diese Sprache mitgebracht haben. Es handelte sich offenbar vor allem um Siedler aus der Mittel- und Ostschweiz sowie aus Teilen Lothringens. Doch auch von dieser Zeit – von Ende des 17. bis Ende des 18. Jahrhundert – gibt es keine schriftlichen Mundartzeugnisse. Allerdings war Ensheim, wie Remigius Wüstner herausgefunden hat, bei weitem nicht so entvölkert wie andere Orte; deshalb könnte es auch sprachliche Kontinuität aus der Zeit vor dem 30jährigen Krieg gegeben haben. Nachweisbar ist es aber nicht.

Im Zusammenhang mit dieser Annahme wäre eine dritte Theorie zu nennen, die davon ausgeht, dass es im Zusammenhang mit der Entwicklung der Dosenindustrie in Ensheim und dem verstärkten Zuzug von Arbeitskräften aus lothringischen Gemeinden bzw. aus Orten wie Kleinblittersdorf, Auersmacher, Bliesmengen-Bolchen zur Ausbildung der alemannischen Komponente gekommen sei. Dies betrifft vor allem die Zeit nach 1800. Auch diese These müsste anhand der genauen Zuwanderungs-bewegungen nach 1800 überprüft werden.

Man kann aber dennoch mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass gerade die Zuwanderungsbewegung eine zentrale Rolle für den sprachlichen Wandel innerhalb der Ensheimer Mundart gespielt hat.

2.     Die Aussprache der Ensheimer Mundart

Es ist bekannt, dass sich die Ensheimer Mundart durch markante Unterschiede klar von den Mundarten der Nachbardörfer wie Ommersheim, Ormesheim, Heckendalheim, Fechingen, Brebach, Oberwürzbach usw. abhebt. Ich will hier nur die wichtigsten Unterschiede nennen:

·        Lambdazismus statt /d/, /t/ oder /tt/ oder statt Rhotazismus: die Konsonanten d, t und tt werden in vielen, aber nicht in allen Fällen im Wort als /L/ gesprochen ð z.B.Bruula [Bruder]; e wissi Fälla [eine weiße Feder]; Bollem [Boden]; e rooli Lääla [eine rote Leiter]; rille [reiten]; Wälla [Wetter], Fella [Vetter]

·        die fehlende neuhochdeutsche Diphtongierung: d.h. die Ausbildung der Doppellaute ist in Ensheim unterblieben. Allerdings ist die Entdiphtongierung nicht vollständig erfolgt, siehe [ ]

ð /au/ wird zu /u/ : Maus ð Muss; Haus ð Huss; Mauer ð Muur; Taube ð Duub. Allerdings gibt es noch andere Lautveränderungen: zu /a:/: taub ð daab; zu /òò/: grau ð gròò; Baum ð Bòòm; zu / ä:/: taufen ð dääfe; [zu /ou/: schlau ð schlou.]

ð /äu/ wird zu /i/: läuten ð lille; Mäuler ð Milla; häufeln ð hiffele oder zu /i:/: Mäuse ð Mies; Läuse ð Lies; Mäuerchen ð Mierche [oder zu /«i/: Gäule ð Gäil; Knäuel ð Gnäil.]

ð /ei/ wird zu /i/: Wein ð Winn; weiß ð wiss; scheinen ð schinne; zu /i:/: feiern ð fiere; Feiertag ð Fierdaa; zu /ä:/: Teil ð Dääl; Seil ð Sääl [oder zu /«i/: Scheibe ð Schäib; Leib ð Läib; drei ð dräi.]

ð /eu/ wird zu /i/: Euter ð Idda; Kreuz ð Gridds; zu /i:/: Eule ð Ihl; Feuer ð Fier; Leute ð Lied; teuer ð dier; [zu /«i/: heute ð häid; freuen ð fräie; zu /ou/: neu ð nou; scheu ð schou; euer ð oua.]

·        das Fehlen der Koronalisierung, d.h. die Aufrechterhaltung des /ch/ als /Å/-Laut im Gegensatz zum übrigen Saarland, wo sich das /§/ durchgesetzt hat: in Ensheim sagt man ich statt isch; Kich statt Kisch; rächne statt räschne; Schbichel statt Schbischel; Millich statt Milsch.

·        der Verzicht auf das auslautende /r/: d.h., das /r/ wird abgeschwächt zu einem kaum noch wahrnehmen /e/ oder /a/-Laut: Feuer ð Fia; Felder ð Schdigga; Euter ð Idda; wahr ð woa;

·        keine Imperfekt-Formen, sondern nur Perfekt-Formen: ich bekam ð ich honn gridd; ich las ð ich honn gelääs(d); ich war ð ich sinn gewään; ich dachte ð ich honn gedänggd; er rief / schrie sehr laut ð er hadd grusslich gegresch.

3.    Die Verschriftung der Ensheimer Mundart

Die Verschriftung bleibt nach wie vor problematisch. In meinem Buch über die Ensheimer Redensarten „’S dudd Heigawwele rääne!“ habe ich mehr oder weniger konsequent versucht, Schreibkonventionen für das Ensemma Pladd aufzustellen. Basis für die Verschriftung ist und bleibt auf jeden Fall die Aussprache

4.    Die Zukunft der Ensheimer Mundart

Die Ensheimer Mundart ist – wie die meisten anderen Mundarten auch – einem ständigen und starken Wandel unterworfen. Mir gefällt diese Entwicklung nicht, weil dadurch die charakteristischen Besonderheiten unserer Mundart allmählich verschwinden und zum Schluss nur noch ein mundartlicher Einheitsbrei übrig bleiben wird. Deshalb mein Appell an alle Eltern:

Schwäddse dehämm willa meh Pladd unn bringes de Kenn vunn Oonfong oon bäi. Dunn emool iwwaleeje, wass na schunn alles onn Wärrda unn Schbrich vagäss honn, die wo oua Babbe olla Grooßbabbe unn Momme olla Grooßmomme noch gesaad honn. Dunn och die alde Ussdrigg willa oongewehne – donn homma noch e Schdurme meh Schbass omm Ensemma Pladd. Ei gudd donn, iehr Lied. Deggmools märsi fa’s Zuuhorche!


Literaturtipp:  


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Last update: 16.12.2023               Copyright: Paul Glass 1997-2023