Extra-Info: Pfarrer Jakob Franz, 1925 - 1935 Pfarrer in Ensheim
Pastor Jakob Franz (1884-1969), aus St. Martin in der Pfalz gebürtig, übernahm die Pfarrei Ensheim am 25. November 1925. Während seiner zehnjährigen Amtszeit ließ er die Eschringer Pfarrkirche bauen und organisierte die Ausmalung der Ensheimer Pfarrkirche St. Peter.
Jakob Franz gilt als einer der wenigen Priester im Bistum Speyer, die offen gegen das NS-Regime auftraten. So war er einer der sechs Pfarrer in der mit 35 Pfarreien ausgestatteten Saarpfalz (zum Bistum Speyer gehörig), die anläßlich der Diskussion um die Zukunft des Saargebietes nach dem Ende der Völkerbundszeit Anhänger des Status quo waren und nach der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 sofort aus Deutschland emigrierten, um möglichen Repressalien durch die Nationalsozialisten zu entgehen.
Besonderes Aufsehen erregte ein Vortrag von Pastor Jakob Franz bei einer Versammlung am 15. April 1934 in Eschringen, wo er den Umgang mit dem Reichskonkordat zwischen dem Nazi-Regime und dem Vatikan (Vertrag vom 20. Juli 1933) kritisierte und folgende Vorwürfe erhob:
Wörtlich führte er aus:
"Wir waren bereit, der neuen Regierung beizutreten, aber jetzt ist es aus,
nachdem wir sehen, was im neuen Reich gespielt wird. Auch ich habe versucht, die Hand zu
strecken, aber nachdem ich gesehen habe, daß man im neuen Staat nur gegen uns arbeitet,
ist es vorbei, und ich werde verschärft den Kampf aufnehmen. Hier im Saargebiet werden
wir jetzt tun, was drüben halt verboten ist. Somit schließe ich und rufe euch zu: Heraus
mit den Christusfahnen."
(Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Bonn , Abt. II, Bes.
Gebiete, Saargebiet, 15. April 1934. Zitiert bei Haupert/Schäfer, op. cit., 127)
Die Ensheimer Ortschronik von Helmut und Alexander Wilhelm berichtet (S. 73) über die Aktivitäten des mutigen Ensheimer Pfarrers, "der Sonntag für Sonntag gegen jegliche Art von 'ismus', insbesondere gegen Nationalsozialismus und Kommunismus, in seinen Predigten zu Felde zog. Natürlich fand er bei den Anschlußbefürwortern, namentlich den Nationalsozialisten, hiermit wenig Gegenliebe. Man konnte bei solchen Predigten unter den Gläubigen auch den einen oder anderen beobachten, der nicht als frommer Christ das Hochamt besuchte, sondern im Auftrage bestimmter Kreise die Predigt des Ortsgeistlichen mitschrieb und anschließend seine Aufzeichnungen seinen Auftraggebern ablieferte. Mit der Zeit und je näher der Tag der Abstimmung heranrückte, bekam der Pfarrer immer öfter handfeste Drohungen zu hören. Und es blieb auch nicht dabei; einigemale wurde das Pfarrhaus auch mit Haßtiraden und Hetzparolen beschmiert."
Kein Wunder also, dass der mutige Ensheimer Pfarrer Franz schon bald ins Visier der Geheimen Staatspolizei geriet. In einem Bericht der Gestapo vom 30. Juni 1934 taucht Jakob Franz als einer der Pfarrer auf, die "offen oder versteckt für die Neue Saarpost" agieren, eine katholisch geprägte Zeitung, die erst im April des Jahres von den Pfarrern Bernhard Brand aus Piesbach und Franz Weber aus Ballweiler gegründet worden war und die nicht den Segen der Amtskirche und des Speyerer Bischofs bekommen hatte.
Am 15. Januar 1935 wurde das Ergebnis der Saarabstimmung bekannt gegeben:
Damit hatte auch Pfarrer Jakob Franz, der Verfechter des Status quo, eine Niederlage erlitten und zog bald darauf persönliche Konsequenzen: Am 2. Februar 1935 bat er den Speyerer Bischof Sebastian um Urlaub, vordergründig wegen Krankheit, in Wirklichkeit aber wegen der Schwierigkeiten und Anfeindungen im Zusammenhang mit seinem Eintreten für den Status quo.
Nach der Emigration nach Südfrankreich über die Schweiz und einer vom Bischof angeordneten Rückkehr in die Schweiz verlor sich zunächst seine Spur, bis er 1949 in Argentinien ausfindig gemacht werden konnte. Im darauffolgenden Jahr kehrte er nach Deutschland zurück, konnte allerdings nicht mehr auf seine frühere Pfarrstelle in Ensheim zurückkehren.
Die Katholische Kirchengemeinde hat 1935 offenbar zu Pfarrer Franz gestanden, denn in einer in jenem Jahr publizierten Schrift der Pfarrei heißt es:
"Pfarrer Franz hat sich um die Pfarrgemeinde Ensheim große Verdienste erworben."
Politisch allerdings hat sie ihn nicht unterstützt: Obwohl in Ensheim zu jener Zeit fast 90 % der Bevölkerung katholisch war, ist die katholische Kirchengemeinde nicht dem Werben ihres engagierten Pfarrers für den status quo gefolgt und hat, wie die Saarländer in summa, sich überwiegend für die Rückgliederung an Deutschland und damit für Hitler entschieden! Sie hätten sich besser an den Rat ihres Hirten gehalten...
In Ensheim entfielen bei der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 genau 90,4 % der abgegebenen Stimmen auf die "Heim-ins-Reich"-Bewegung, die durch die Deutsche Front repräsentiert wurde.
NB:
Pfarrer Jakob Franz starb am 23. August 1969 in St. Martin und wurde drei Tage später in Ensheim beerdigt. So hat er wenigstens im Tode seine Ensheimer Pfarrei wiedergefunden...
NB 2:
Pfarrer Jakob Franz wurde am 5. September 2023 eine späte Ehrung zuteil: An diesem Tag wurde ihm zu Ehren am Gehweg hin zur Pfarrkirche St. Peter ein sog. »Stolperstein« verlegt, der die Erinnerung an ihn, den mutigen Pfarrer gegen die Nazis, wach halten soll. Nur wenige Schritte davon entfernt befindet sich, auf der Südseite von St. Peter, auch sein Grab.
Quellen:
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