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Reichsvereinigung ehem. Kriegsgefangener (R.e.K.), Ortsgruppe Ensheim
Dieser Verein existierte neben dem Veteranen- und Kriegerverein Ensheim und wurde im September 1919 gegründet. Über die ersten Jahre des Vereins ist nicht viel bekannt, aber es ist anzunehmen, daß es dem Verein vor allem darum ging, die Rechte jener ehemaligen Soldaten aus Ensheim zu vertreten, die im Verlauf des Ersten Weltkrieges oder nach dem Waffenstillstand in Kriegsgefangenschaft geraten waren.
Für die Zeit von 1924 bis 1936 hat sich das "2. Protokollbuch" erhalten, in dem die Protokolle aller Ausschußsitzungen, Mitglieder- und Generalversammlungen in diesem Zeitraum enthalten sind. Das 2. Protokollbuch beginnt mit Protokoll Nr. 29 (vom 19.10.1924) und endet mit dem Protokoll Nr. 109 (vom 10. Mai 1936).
In den verschiedenen Protokollen geht es immer um Vereinssachen, zum Beispiel um
u.ä.m.
Die Mitglieder des Vereins haben ihre politische Heimat vermutlich alle im konservativen Lager gehabt. Auffallend ist die offensichtliche Hinwendung zum Nationalsozialismus nach der Machtübernahme der Nazis im "Reich". Am 17.09.1933 beschließt man den (Wieder-)Beitritt zur Reichsvereinigung ehem. Kriegsgefangener, aus der die Ortsgruppe wenige Jahre zuvor ausgetreten war mit dem Argument, »da wir Kriegsgef. in der heutigen Zeit nicht ohne Verband zu unserem Rechte kommen können.« Als die Ortsgruppe aus diesem Anlaß eine öffentliche Versammlung abhalten wollte, wurde diese nicht genehmigt - möglicherweise wegen der Verbindungen zu einer Organisation aus dem Deutschen Reich. Zu dieser Zeit unterstand ja das Saarland noch einer Regierung des Völkerbundes.
Die Ortsgruppe lud den Gauführer Bayer aus St. Ingbert als Redner zu einer Mitgliederversammlung am 17.09.1933 ein. Sein Thema: Die Rechte der ehem. Kriegsgefangenen »im neuen Reich« - also im Nazistaat. Am 31.12.1933 vermerkt das Protokoll zur damaligen »Weihnachtsfeier mit Tanz«: »Es war eine echte, deutsche Kameradschaftsfeier, wie sie auch in dem Verein gepflegt wird.«
In der Generalversammlung am 4. Februar 1934 ist »Gauleiter« Bayer erneut anwesend, denn: »Als Vereinsführer wurde Kamerad Heinrich Wollenschneider von der Gauleitung ernannt.« Die Gleichschaltung der Nazis griff also selbst dort, wo sie nach den damaligen Bestimmungen gar nichts zu bestimmen hatte: im vom Reich unabhängigen Saargebiet! Heinrich Wollenschneider, der den Verein vermutlich seit seiner Gründung, nachweislich aber seit 1924 als Vorsitzender leitete, unterschrieb aber erst am 31.10.1934 sein erstes Protokoll als »Führer«.
Das Jahr 1934 war ja im Saargebiet vom »Abstimmungskampf« geprägt, aber es gibt in den Protokollen jener Zeit kaum Hinweise auf die Meinungen und das geplante Abstimmungsverhalten der Mitglieder. Mehrfach wird ein Lichtfilmvortrag veranstaltet, einmal auch im Saal Niederländer in Ormesheim, wobei leider nicht vermerkt wurde, um welchen Film oder Filme es sich handelte. Vermutlich war aber ihr Thema die für 1935 geplante Volksabstimmung. Überhaupt ist im Jahr 1934 eine überaus aktive Vereinstätigkeit festzustellen, wovon 13 (!) Protokolle zeugen (während z. B. für die Jahre 1930 und 1931 nur je 2 Vereinsveranstaltungen protokolliert wurden.)
Nach der Abstimmung am 13. Januar 1935 wurde genau eine Woche später eine Versammlung im Gasthaus Dörr abgehalten, in deren Verlauf beschlossen wurde, »der Bundesleitung sowie unserem deutschen Reichsführer Adolf Hitler ein Dankschreiben zugehen zu laßen.«
In den Jahren 1933 bis 1934 gab es mehrfach interne Beleidigungssachen; möglicherweise wegen unterschiedlicher politischer Positionen. Es könnte also durchaus sein, daß sich ehemalige Kriegsgefangene, die nicht konservativ-national dachten, sich mit den anderen Mitgliedern gerieben haben, aber diese Vorgänge bedürfen noch weiterer Recherchen.
Der »neue Wind« innerhalb der Ensheimer Ortsgruppe läßt sich auch ablesen am Programm anläßlich der »Standartenweihe« am 26. August 1934 - mitten im »Abstimmungskampf«:
Sonntag
Als Fahnenpate ist der Veteranen- und Kriegerverein Ensheim sowie die REK Bischmisheim oder die REK St. Ingbert vorgesehen. Die Ehrendamen sollen von der B.D.M. gestellt werden.«
Noch vor der Rückkehr des Saargebietes an das Deutsche Reich griff der Verein ohne Bedenken auf Personal von NS-Organisationen in Ensheim zurück.
1935 nahm der Verein am »Heldengedenktag« am Ensheimer »Ehrenmal«, also Kriegerdenkmal teil und lag damit ganz im konservativ-nationalen Trend jener Zeit. Die Einführung des »Heldengedenktages« ist durchaus im Zusammenhang mit der (insgeheim bereits) geplanten Aufrüstung und der außenpolitisch angestrebten »Revision von Versailles«, also der Rückgängigmachung des Versailler Friedensvertrages zu sehen.
Interessant sind auch die personellen Veränderungen im Jahr 1935, relativ zeitnah zu Rückkehr des Saargebietes zum Reich: Zunächst legte der langjährige Schriftführer Karl Reinstadler sein Amt nieder und wurde durch den erst 1927 eingetretenen Albert Gregorius ersetzt, weniger Wochen später schmiss auch der langjährige Vorsitzende, jetzt: Vereinsführer Heinrich Wollenschneider sein Amt hin und wurde durch Karl Adt ersetzt. In der gleichen Versammlung wurde den Mitgliedern die Beteiligung an SA-Formationen »freigestellt.«
Der »neue Geist« wehte bereits in der nächsten Versammlung, wo der neue »Vereinsführer« Karl Adt »laut Antrag durch den Schriftführer« zunächst ein »Heil auf Führer und Vaterland« ausbrachte, sich anschließend für das ihm entgegengebrachte Vertrauen bedankte und erklärte, »die Ortsgruppe im Sinn der bisherigen Kameradschaft getreu in Gefolgschaft des Führers weiterzuführen.« Alles klar? Spätestens jetzt war die Ortsgruppe auf nationalsozialistischer Linie, gleichgeschaltet durch geschickte personale Veränderungen und vielleicht sanften Druck auf die bisherigen Amtsträger. Da versteht es sich von selbst, daß die »Einladung« der NSDAP »betr. Beteiligung an der Gefallenen-Ehrung am 9.11.35« freudig angenommen wurde. Übrigens wurden von jetzt an sämtliche Versammlungen mit einem »Gedenken an Führer und Vaterland« eröffnet oder geschlossen. Immer wieder wurde der sicher besonders nazitreue Gauführer Bayer aus St. Ingbert zu Veranstaltungen eingeladen. so zur Generalversammlung am 23. Februar 1936, wo Bayer 2 (!) Stunden über die »R.e.K.-Organisation im 3. Reich« referierte. Leider hat der Protokollant keine Einzelheiten dieser Mammutrede vermerkt. Interessanterweise ist aber der ausdrückliche Hinweis des Gauführers vermerkt, daß Versammlungen »sehr kurz gehalten gehalten werden müssen« - um anschließend mehr Zeit für die weltanschauliche Schulung zu haben.
Mit dem 109. Protokoll einer Ausschußsitzung vom 10. Mai 1936 bricht das 2. Protokollbuch der Ortsgruppe ohne Angabe von Gründen ab. Es fällt auf, daß sowohl dieses als auch das Protokoll zuvor nicht mehr vom »Vereinsführer« Adt unterschrieben worden waren - warum? Hat sich der Verein aufgelöst, wie es bereits 1930 diskutiert worden war? Hier bleibt noch Klärungsbedarf ...
In der Ortsgruppe Ensheim waren auch Mitglieder aus Eschringen, Ormesheim, Ommersheim und Heckendalheim vertreten.
Das 2. Protokollbuch wurde mir von Horst Sachs, Ensheim freundlicherweise zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Dafür vielen Dank!
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Last update: 30.08.2006 © Paul Glass 1997 - 2001 ff