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Anhang (1): Die Anklageschrift


Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen

II.

Der Sachverhalt

Gelegentlich seiner Strafverbüßung Anfang 1937 lernte der Angeschuldigte einen gewissen S a u e r w e i n sowie einen gewissen W e i ß g e r b e r kennen. Durch Sauerwein und dessen Mutter wurde er darauf aufmerksam gemacht, daß er unter Umständen bei einem Schneidermeister in Forbach (Frankreich) würde Arbeit finden können.

Der Angeschuldigte verblieb aber zunächst bei seiner Familie in Ensheim. Etwa am 27. Juli 1937 fuhr er nach St. Ingbert in der Absicht, die von dem Amtsgericht in Starnberg durch Urteil vom 8. Juni 1937 gegen ihn wegen Betruges verhängte Strafe von sechs Wochen Gefängnis anzutreten. Vor de, Gefängnis in St. Ingbert, in dem er die Strafe zu verbüßen hatte, änderte er aber seinen Entschluß und fuhr nach Saarbrücken zurück.

Der Angeschuldigte suchte hier den Sauerwein auf, den er alsbald nach den Möglichkeiten fragte, die französische Grenze heimlich zu überschreiten. Er erklärte ihm dabei, daß er beabsichtige, sich in Frankreich Arbeit zu suchen. Sauerwein riet ihm, die französische Grenze heimlich hinter dem "Südfriedhof" bei Saarbrücken zu überschreiten, wobei er ihn darauf hinwies, daß die Grenze in westöstlicher Richtung unmittelbar hinter dem "Südfriedhof" verlaufe.

Der Angeschuldigte ging darauf zunächst die Landstraße in der Richtung nach dem "Südfriedhof" entlang, verließ die Straße aber vorher und wandte sich nach links. Auf diese Weise erreichte er im Walde des Spicherer Berges die ihm durch einen im Walde bemerkten Grenzstein kenntlich werdende Grenze. Auf einem Pfad begab er sich dann in der Richtung nach Spichern. Beim Verlassen des Waldes traf er auf einen Soldaten der Garde mobile, von dem er nach seinem Ziel und seinen Ausweispapieren gefragt wurde. Der Angeschuldigte erklärte ihm, daß er als Ausweis lediglich das Arbeitsbuch besitze und beabsichtige, in Frankreich Arbeit zu finden. Er wurde darauf von dem Angehörigen der Garde mobile auf dessen Motorrad zum Spezialkommissariat auf den Bahnhof in Forbach gebracht, wo er eingehend vernommen wurde.

Der Angeschuldigte gab dabei an. er sei wegen einer noch zu verbüßenden Gefängnisstrafe aus Deutschland geflohen. Von dem vernehmenden Beamten wurde ihm bedeutet, es werde ihm nicht so ohne weiteres gelingen, Arbeit zu finden, vielleicht aber sei es ihm möglich, sich auf andere Weise nützlich zu machen. Den Vorschlag des Beamten, in die Fremdenlegion einzutreten, lehnte der Angeschuldigte ab. Der Beamte erklärte dem Angeschuldigten, daß es ja auch noch eine andere Art gäbe, Geld zu verdienen, so könne er zum Beispiel für Frankreich in Deutschland arbeiten. Durch die weitere Äußerung des Beamten, es gäbe sehr Vieles in Deutschland, vor allem bei der Wehrmacht, was man in Frankreich wissen möchte, wurde dem Angeschuldigten klar, daß er zu Spionagezwecken gegen Deutschland eingesetzt werden sollte. Die von dem Angeschuldigten im Hinblick auf die noch in Deutschland zu verbüßende Strafe geäußerten Bedenken wurden von dem Beamten zerstreut, und nach längerem Überlegen erklärte sich der Angeschuldigte bereit, für Frankreich Spionagedienste zu leisten.

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Quelle: Anklageschrift des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof Berlin [AZ 2 J 153/38 g.] vom 29.12.1939




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