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Extra-Info: Entnazifizierung 


Definition:

Quelle: Jürgen Kochendörfer / Erhard Rumpf: Geschichte und Geschehen. Stuttgart u.a. 1991, S. 389


Verlauf:

Beispiel eines "Persilscheines" aus Neuss

Auszug aus einem modernen Schulbuch:

"Gemeinsam richteten die Alliierten die Kriegsverbrecherprozesse gegen die Hauptrepräsentanten des Systems aus, wie es auf der Potsdamer Konferenz beschlossen worden war. Auf der Grundlage des 'Abkommens über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher' vom 8. August 1945 klagte ein international besetzter Gerichtshof die Hauptverantwortlichen wegen 'Verschwörung gegen den Frieden, Verbrechen gegen den Frieden, Verletzung der Kriegsrechte und Verbrechen gegen die Menschlichkeit' an. Die Nürnberger Prozesse brachten erstmals nach dem Krieg das ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen an die Öffentlichkeit und endeten mit Todesurteilen für die nationalsozialistische Führungsgruppe. Den Prozessen folgten zahlreiche Verfahren vor den Gerichten der jeweiligen Besatzungsmächte in den einzelnen Zonen.

In den Besatzungszonen nahmen die Entnazifizierungsmaßnahmen einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Die französischen Besatzungsbehörden nahmen die Entnazifizierung auf dem reinen Verwaltungswege vor, hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt politischer Zweckmäßigkeit. Die britische Militärregierung gab der Effektivität der aufbauenden deutschen Verwaltung Vorrang vor der politischen 'Säuberung' und beschäftigte zahlreiche Beamte des 'Dritten Reiches' weiter. In der sowjetischen Zone dienten die Säuberungen vor allem der 'Ausschaltung des Klassengegners'. Die sowjetische Militäradministration entfernte mehr als 500.000 ehemalige Nationalsozialisten aus öffentlichen Ämtern, vor allem der Verwaltung, der Justiz und dem Schuldienst. Später wurden aber viele ehemalige NSDAP-Mitglieder, wenn sie sich zum Sozialismus bekannten, in die neu entstandene SED eingereiht. Weil man die Entstehung des Faschismus vor allem auf das kapitalistische Wirtschaftssystem zurückführte, unterblieb auch in der späteren DDR häufig eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Gedankengut.

Die meisten Entnazifizierungsverfahren fanden in der US-Zone statt und wurden dort auch am strengsten durchgeführt. Hier wie in den anderen Zonen musste jeder Erwachsene einen umfangreichen Fragebogen beantworten. Die US-Regierung hatte mit Deutschen besetzte Spruchkammern und Berufungskammern eingerichtet, die die Entnazifizierungsverfahren gerichtsmäßig abwickelten und die Betroffenen jeweils in eine der fünf Kategorien einstuften: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer, Entlastete. Den in den ersten drei Kategorien Eingestuften drohten Strafen von der Einweisung in ein Arbeitslager über Berufsverbot, Amtsverlust oder Pensionsverlust bis zur Aberkennung des aktiven oder passiven Wahlrechts. Für Mitläufer waren Geldbußen vorgesehen.

Die oft willkürlich erscheinenden Entscheidungen der Spruchkammern riefen Unmut in der deutschen Bevölkerung hervor. Hinzu kam, dass die große Anzahl der Verfahren (in den Westzonen mehr als 6 Millionen) dazu führte, dass zunächst die leichteren Fälle entschieden wurden. Als dann die US-Regierung im beginnenden Kalten Krieg das Interesse an einer Weiterführung verlor, wurde die Entnazifizierung 1948 eingestellt, ohne dass die Verfahren gegen einen Teil der schwerer Belasteten abgeschlossen waren."

Quelle: Jürgen Kochendörfer: Geschichte und Geschehen [Geschichtsbuch für Berufliche Gymnasien, Klasse 12/13]. Stuttgart u.a. 2000, S. 190  f


Bilanz:

In einem modernen Geschichtsbuch wurde folgende ernüchternde Bilanz gezogen:

"Die Entnazifizierung wurde recht unterschiedlich gehandhabt: für die sowjetische Besatzungsmacht war sie ein Mittel, um die bis 1945  maßgebliche Führungsschicht zu entmachten. In den Westzonen zogen sich viele Verfahren so lange hin, daß sie schließlich halbherzig zu Ende gebracht wurden. Eine gründliche Abrechnung mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik fand nicht statt."

Quellen:


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Letztes Update: 27.12.2004                 © Paul Glass 1997 - 2001 ff