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Ensheim im Zweiten Weltkrieg


Da Ensheim nur wenige Kilometer von der deutsch-französischen Grenze entfernt im »Freimachungsgebiet« und damit zwischen Grenze und Westwall lag, verwundert es nicht, dass unser Dorf von den Kriegsereignissen in besonderer Weise tangiert wurde.

Noch vor dem Krieg wurden auch in Ensheim und Umgebung kriegswichtige Vorbereitungen durchgeführt:

Zunächst traf es die jungen Männer, die ihrer Wehrpflicht nachkommen mussten und für Hitler-Deutschland in den Krieg ziehen mussten, ob sie wollten oder nicht. Es sind keine Fälle von Ensheimern bekannt, die sich dieser Pflicht unter Todesgefahr entzogen hätten, denn auf Fahnenflucht stand zuletzt die Todesstrafe. Viele dieser Soldaten sind nicht mehr aus diesem Krieg zurückgekehrt. [Statistik]

Dann traf es die Ensheimer Bevölkerung. Die Zivilisten wurden gleich zweimal, direkt bei Kriegsbeginn und 1944/45, evakuiert und  nach Hessen, Franken oder Thüringen transportiert. 

Sammelplatz an der Kreuzfeldschule Die Ensheimer werden auf LKWs verladen

Diese Phase der Evakuierung soll demnächst durch die Befragung noch lebender Zeitzeugen näher untersucht werden. Die Ortschronik (S. 75) berichtet darüber::

"Die Ensheimer Bevölkerung wurde über ganz Deutschland verstreut, bei wildfremden Menschen in Thüringen, Franken oder Hessen untergebracht, während das eigene Dorf mit dem eigenen Haus und Garten den Soldaten und oft Plünderern aus nichtfreigemachten Gebieten hinter dem Westwall überlassen werden mußte.

Nach dem Frankreichfeldzug Mai-Juni 1940 kehrten die Ensheimer wieder aus der Fremde zurück und versuchten die Schäden an ihrem Besitz zu reparieren."

Die militärische Situation während des Frankreich-Feldzuges am 12. Juni 1940
(Ausschnitt)

Nach dem Frankreich-Feldzug war die militärische Lage in unserer Heimat ruhig. Die evakuierte Ensheimer Bevölkerung kehrte wieder ins Dorf zurück und versuchte aus dem Kriegsalltag das Beste zu machen. Doch Hitlers Hunger nach Eroberung und Unterwerfung war noch lange nicht gestillt. Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 sollte das Meisterstück des "besten Feldherrn aller Zeiten" (Hitlers Eigeneinschätzung) werden, war aber de facto der Anfang vom Ende der Naziherrschaft in Europa und Deutschland.

Wieder waren auch die Ensheimer betroffen: Fast jede Familie hatte Soldaten an den verschiedenen Fronten, viele kehrten nicht nach Ensheim zurück, sondern fanden ihre letzte Ruhe auf einem der später angelegten Soldatenfriedhöfe. 

Nach der Invasion der westlichen Alliierten  unter General Eisenhower in Nordfrankreich am Tag X (6. Juni 1944) wurde auch unsere Heimat wieder allmählich zum potentiellen Kriegsgebiet, vor allem nachdem die deutsche Ardennenoffensive (ab dem 16.12.1944) aufgrund des erbitterten alliierten Widerstandes wirkungslos geblieben war. Schon Monate vorher, nämlich Ende August 1944, begann die zweite Evakuierung, nachdem die Westfront immer näher an die deutsch-französische Grenze herangerückt war, und dieses zwangsweise Verlassen der Heimat dauerte fast bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945.

Der Rheinland-Feldzug der US-Armee (8. Februar - 21. März 1945) 
(Ausschnitt)

Ensheim war "nur" in den ersten Kriegswochen und dann wieder im Frühjahr 1945 Schauplatz direkter Kampfhandlungen. Dazwischen fielen ab 1942 auch in Ensheim Bomben, die eigentlich für Saarbrücken bestimmt waren. Am 15. März 1945 wurde Ensheim von amerikanischen Einheiten, wie es heißt, "kampflos" erobert. Über dieses "Finale", das etwa 250 im Dorf verbliebene Ensheimer miterlebt haben, gibt es unterschiedliche Darstellungen:

1) In der Ensheimer Ortschronik (S. 76) gibt es einen Augenzeugenbericht eines leider nicht näher genannten Ensheimer Bürgers:

»Als in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1945 ein sechsstündiges Artilleriefeuer auf Ensheim und den nördlich des Dorfes vom Ensheimer Tal am Ensheimer Hof vorbei auf die Heckendalheimer Höhe sich hinziehenden Westwall niederprasselte, da wußte jeder der Daheimgebliebenen, daß jetzt die 'entscheidende Stunde' geschlagen hatte. «

Zum Glück für Ensheim hatten sich die letzten regulären deutschen Truppen [der SS-Division Götz von Berlichingen] bereits hinter den Westwall abgesetzt und hatten die 80 in Ensheim befindlichen Volkssturmmänner sich offenbar entschlossen, den amerikanischen Angreifern keinen Widerstand entgegenzusetzen; denn so wurde Ensheim besetzt, ohne dass die US-Truppen auch nur einen Schuss abfeuern mussten. Soweit die Darstellung der damaligen Ereignisse nach den Aussagen der im Dorf verbliebenen Ensheimer.

Einen weiteren packenden Augenzeugenbericht verdanken wir Gretel Kautz aus Ensheim, die ihre Erinnerungen an jenen schrecklichen Tag in einer Lesung anläßlich des 50. Jahrestages 1995 wiedergab.

2) In zwei US-Berichten über die damaligen Ereignisse liest sich diese Geschichte aber doch etwas anders. Demnach wurde Ensheim zunächst von deutschen Truppen hartnäckig verteidigt, musste aber wenig später aufgrund der "heldenhaften Taten des III. Bataillons" aufgegeben werden. Möglicherweise wurde Ensheim in der Tat schnell erobert, aber  die Kämpfe um den Durchbruch des etwa 2 km nördlich von Ensheim vorbeiführenden Westwalls wurden noch bis zum 20. März 1945   mit erbitterter Härte geführt, was über 70 deutschen Soldaten das Leben kostete. Wie viele alliierte Opfer es gab, ist nicht überliefert.

Die Endphase des Rheinland-Feldzuges der US-Armee (11. - 21. März 1945) 
(Ausschnitt)

 

Wie dem auch sei: Mit dem Fall des Westwalls war der Krieg in Ensheim praktisch zu Ende, aber noch nicht für alle Ensheimer.

Die Ortschronik berichtet (S. 77):

"Wie ein Lauffeuer ging der Ruf durch den Ort 'Alles sammeln!'. Die Volkssturmmänner wurden im Hof von Werner Walle am Südausgang des Dorfes zusammengetrieben, die Zivilisten in der Wirtschaft Freis, heute unter dem Namen 'Goldene Kanne' bekannt. Die Durchsuchung nach Waffen, Verhöre und Einschüchterungen waren bald beendet. Für die meisten Männer begann um 17 Uhr der Marsch in die Gefangenschaft, erst über Eschringen nach Bliesransbach. Dort Rast, wieder Verhöre, Vereinigung mit anderen Gefangenen, Weitermarsch nach Saargemünd. (...)

Was aber war mit den Zivilisten in der Wirtschaft Freis geworden? Vom 2. Tag an, also vom 16. bis 18. März, erfolgten Vernehmungen am laufenden Band durch die Militärs unter Einschaltung eines Ensheimer Vermittlers. Am 18. März wurden alle Zivilisten in die Häuser unterhalb der Kirche eingesperrt. Das noch vorhandene Vieh wurde in den Kirchgarten getrieben. Am 28. März durften die Einwohner in ihre Häuser zurückkehren, nachdem deportierte Polen 24 Stunden Plünderungsrecht eingeräumt worden war."

Wie fast überall im Deutschen Reich mussten auch die Ensheimer eine ernüchternde Bilanz ziehen und für ihr Votum für Hitler-Deutschland mehr oder weniger schwer büßen.


Quelle:


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Letztes Update: 27.12.2004                      © Paul Glass 1997 - 2001 ff