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5.5 Ensheimer Quellen online (1)


Jakob Grentz: 

Ensheim vor 60 Jahren. Bilder aus dem hinterpfälzischen Dorfleben. Forbach 1894


[Kirchweih - Kirb]


Der Tag des Bischofs Martin, der elfte November, bringt die Ensheimer Kirmes, und wenn dieser Tag auf einen Samstag fällt, so wird an demselben auch die Kirchweih abgehalten; fällt er aber auf einen Wochentag, so findet sie an dem darauffolgenden Sonntag statt.

Die Kirmes ist für die Dorfbewohner ein wichtiges Fest, und zur Feier derselben werden große Vorbereitungen getroffen. Sie ist, da sie am Schlusse des Arbeitsjahres abgehalten wird, gleichsam das Ernte- und Dankfest der Landsleute, an welchem sie auf ihre Leistungen mit Ruhe und Genuss zurückblicken, Gott für seine Gaben danken und sich gütlich tun.

Die Burschen haben das ganze Jahr über ihre Groschen zusammen gehalten, um an der Kirmes oder auch zur Fastnacht die Mittel zum Mitmachen zu besitzen. Mindestens vierzehn Tage vor der Kirmes muss jemand aus dem Hause persönlich die in der Umgebung wohnenden Verwandten einladen, denn ohne solche Einladung kam niemand, "und ungebetene Gäste setzt man hinter die Türe"!

Einige Zeit vorher wird noch große Wäsche gemacht, das Haus innen geweißt und in allen Winkeln von oben bis unten gescheuert, gefegt und geputzt, das Gehöfte und die Umgebung des Hauses geordnet und gereinigt, das Küchengeschirr blank gemacht und überall alles so hergerichtet, dass am Kirmessonntagmorgen für die Frauen weiter nichts mehr zu tun ist als sich um die Küche zu bekümmern.

Während der drei letzten Tage wurden ganze Berge Kuchen gebacken, je nachdem man es machen konnte, oft zwanzig, dreißig und vierzig Stück, von jeglicher Art einige. Dienstag vor der Kirmes oder doch sicher am Kirchweihsamstag gingen die Frauen gewöhnlich auf den Markt nach Saarbrücken, um noch allerlei Bedürfnisse für das Fest einzukaufen, denn dies war uralte Gewohnheit.

Namentlich entnahm man dort das Rindfleisch, das recht fett sein musste, denn man liebte eine fette Suppe mit Reis oder Nudeln oder Weißbrot. Das Schweinefleisch hatte man frisch und geräuchert selbst; höchstens wurden noch Bratwürste, ein Hammelschlegel oder ein Kalbsbraten zugelegt.

Am Kirchweihsamstag stellte sich in der Regel schon die Musik ein, welche zum Tanzen aufzuspielen hatten.

Vor fünfzig bis sechzig Jahren waren es die Musikgesellschaften Miedel oder Becker von Oberwürzbach, Bubel von Bierbach und später Tonoly von Blieskastel, die den Tanzlustigen diesen Dienst leisteten.

Die Tanzmusik wurde damals meist bei Josef Zimmermann abgehalten, denn ein für diesen Zweck geeigneteres Lokal war nicht hier. Da versammelten sich denn auch am Kirchweihsamstag nachmittags die Tänzer und zogen singend und jauchzend, die Musik voraus, nach dem orte hin, wo im vorigen Jahre die Kirmes begraben wurde, um deren Auferstehung zu feiern.

Die Kirmes wurde aber durch einen Krug guten Branntwein und mehreren Flaschen besseren Weines versinnlicht, die man gut verkorkt in der Nähe einer der beiden Mühlen neben einem Bannstein unter allerlei lustigen Zeremonien tief in den Boden vergraben hatte und nun wieder aufsuchte, mit Bändern schmückte und damit ebenso zum Dorfe zurückkehrt, wie man ausgezogen war.

Bälle mit Eintrittsgeld kannte man damals nicht. Waren drei Tänze gespielt, so ging einer der Musikanten zu den Tänzern und forderte die Gebühr, nämlich einen "Batzen" oder drei "Sous".

Beim Tanze wurde nur Wein getrunken, das Bier zu sechs Batzen oder vierundzwanzig Kreuzer.

Um Mitternacht wurde eine Pause gemacht, während welcher die Tänzer mit ihren Frauen und Mädchen sich in die Zimmer zerstreuten und mit denselben den Kaffee tranken.

Von Karussells oder "Trillen", den Verkaufsbuden aller Art, wie sie heute überall ihr Wesen treiben, wusste man nichts. Höchstens waren einige Tische zu sehen, auf denen Taschenmesser, Scheren, Fingerhüte, Radelbüchsen oder Zuckergebäck, Kalender, Volks- und Jugendschriften verkauft wurden.

Auch ein Roulett, an dem die gewinnsüchtigen Jungen sich versuchten und ihre Sparkreuzer verloren, war manchmal aufgestellt.

Die Kirmes dauerte in der Regel drei Tage. Oft wurde aber donnerstags noch ein "Hammel" herausgetanzt.

Während so die Jungen ihren Vergnügungen nachgingen, saßen die Alten mit ihren bejahrten Gästen zu Hause und unterhielten sich von allerlei Selbsterlebtem oder von Gehörtem und Gelesenem aufs Allerbeste.

Den heimkehrenden Gästen band die Hausfrau von allen Sorten Kuchen in eine Serviette als Gruß an die Daheimgebliebenem, denn, sagten sie: "Ein leerer Gruß geht barfuß!" Gingen die Kirmesgäste aber erst mittwochs zurück nach Hause, so liefen sie Gefahr, von der Jugend eines Dorfes, durch welches sie gehen mussten, den Titel "Kirwehammel" zu bekommen.

Damals herrschte auch noch die Sitte des "Kirchekuchenklepperns". Wenn nämlich die Ensheimer Kirchweih war, so kam ein ganzer Trupp erwachsener Burschen aus Bischmisheim mit Peitschen und zogen unter Knallen und Rufen: "Kirwekuche, Klepperkuchen für die Bischmisheimer Weidbuben" durchs Dorf, wo ihnen dann überall ein gutes Stück Kuchen gereicht wurde.

Wenn in Bischmisheim Kirmes war, so trieben es dort die Ensheimer Burschen in gleicher Weise.

Da diese Sitte nur zwischen Ensheimern und Bischmisheimern bestand, so ist dieselbe vielleicht darauf zurückzuführen, dass die beiden Gemeinden früher uralte Weidgerechtigkeiten gemeinschaftlich besaßen, vielleicht auch, weil zu Zeiten der Reformation beide Gemeinden oft nur einen Geistlichen hatten und Ensheim an diesen den Zehnten entrichten musste.

Die Kirmeszeit wurde mit den üblichen Trauerfeierlichkeiten begraben. Die zur Schau getragene Betrübnis und die künstlichen Tränen, die dabei geweint wurden, waren aber oft wahrer als man verraten wollte, wenn man die geleerten Taschen der Burschen und den Jammer erwägt, den sie sich durch Übergenuss zugezogen hatten.

Bei jeder sorgsamen Hausfrau war es aber Gewohnheit, alle Reste von Kuchen und Brot, Fleisch und dergleichen Dinge zu sammeln und nach den Festtagen für die Tafel zu verwerten, was man das "Essen der Urwessen" nannte.



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Last update: 21.09.2001