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2.5 Ensheimer Kirchengeschichte im Überblick


Extra-Info: 

Pfarrer Alois Konrath
1935 - 1967 Pfarrer in Ensheim


Alois Konrath wurde am 12. Januar 1895 in Pirmasens geboren.

Nach dem Studium der Theologie wurde er am 25. Juni 1922 im Dom zu Speyer zum Priester geweiht. Danach wirkte er als Kaplan in den Pfarreien Waldsee und Dudenhofen, später arbeitete er als Caritas-Sekretär in Pirmasens.

Seine erste Pfarrstelle trat er in Labach (Pfalz) an.

Am 1. Juni 1935 übernahm er die Pfarrei Ensheim, nachdem der bisherige Pfarrer Franz seine Pfarrstelle aus politischen Gründen ausgeben bzw. nach der Saarabstimmung im Januar 1935 aus Ensheim fliehen musste.  Seine Investitur wurde am 16. Juni 1935 mit einer feierlichen Prozession durch den Ort gefeiert, die vom Landrat des Kreises St. Ingbert - wie übrigens alle öffentlichen kirchlichen Veranstaltungen - der Staatspolizeistelle Saarbrücken gemeldet werden musste:

Meldung des St. Ingberter Landrates an die Saarbrücker Stapo-Stelle

Gruppenbild mit den Amtskollegen aus Eschringen, Ormesheim und Ommersheim 
 anlässlich der Amtsübernahme durch Pfarrer Alois Konrath (2.v.l.)
(Quelle: Ensheim im Bild, Bd. 1, S. 221)

Pfarrer Alois Konrath trat seine neue Pfarrstelle in einer schwierigen Zeit an. Er kam in eine Gemeinde, deren deutliche Mehrheit sich am 13. Januar 1935  für Hitler ausgesprochen hatte und denen man entsprechend starke Sympathien für den Nationalsozialismus unterstellen musste - auch bei vielen Katholiken.  Sein Vorgänger Jakob Franz gilt als einer der wenigen Priester im Bistum Speyer, die offen gegen das NS-Regime auftraten. Eigentlich ist aufgrund der damaligen Ereignisse um Pfarrer Franz davon auszugehen, dass die Kirchenleitung in Speyer der Ensheimer Pfarrgemeinde keinen Pfarrer vorgesetzt hat, der gewillt war, die Naziherrschaft offen zu kritisieren. Mittlerweile ist mir aber eine kirchenamtliche Information* über Pfarrer Konrath aus dem Jahr 1947 bekannt geworden, die darüber berichtet, daß der Ensheimer Seelenhirte gleich mehrfach ins Visier der Gestapo geraten war:

»Im Juli 1935 Verwarnung durch Gestapo wegen Anbringung eines 2 m großen, nachts beleuchteten Christuszeichens auf dem Turm der Kirche. Im Juni 1936 wurden an 18 Häusern des Ortes die anläßlich eines kirchlichen Festes ausgehängten Kirchenfahnen durch SA verbrannt. Im August 1936 Einbruch ins Pfarrhaus und Entwendung politischer Aufzeichnungen. erneute Verwarnung durch Gestapo. 1938 Schulverbot sowie 4 Wochen Predigtverbot. Insgesamt 3 Haussuchungen und 30 Vernehmungen durch Gestapo.«

 * Freundliche Mitteilung des Kath. Pfarramtes St. Peter, Ensheim vom 26.07.2005

Immerhin hatte sich der Bischof von Speyer ebenso wie sein Amtsbruder aus Trier in der Zeit des Abstimmungskampfes 1933/35  für den Erfolg der "Deutschen Front" engagiert, an der neben der NSDAP und anderen Parteien auch die Zentrumspartei als politische Interessensvertretung der saarländischen Katholiken beteiligt war. Kritische Stimmen aus den Reihen der Geistlichkeit wurden kirchlicherseits abgemahnt, das Bekenntnis zu Deutschland aber unterstützt. In einem Erlass vom 12. November 1934, in dem die Geistlichen zur politischen Zurückhaltung aufgefordert wurden, hieß es auch: "Unsere Anweisung berührt nicht die sittliche Pflicht der Liebe zum angestammten Vaterland und der Treue zum Vaterland. Diese Liebe und Treue sind vielmehr nach katholischer Lehrer sittliche Tugenden." Man kann es drehen und wenden, wie man will: Diese Beteiligung weiter katholischer Kreise an der Saar hat die "Rückgliederung" des Saargebietes an das Deutsche Reich und damit an eine bekanntermaßen faschistische und menschenverachtende Diktatur erst ermöglicht, obwohl gerade dieser Aspekt heute immer wieder in Abrede gestellt wird. Ohne die von den Bischöfen von Speyer und Trier gewollte politische Enthaltsamkeit der meisten katholischen Geistlichen hätten sich die SaarländerInnen vielleicht anders entschieden. Es gab, wie erwähnt, nur ganz wenige Pfarrer, die sich offen für den Status quo und damit gegen Hitler eingesetzt haben, wie beispielsweise der oben erwähnte Ensheimer Pfarrer Franz oder Pfarrer Weber aus Ballweiler. 

Nach der Rückgliederung des Saarlandes an Nazideutschland wehte aber plötzlich ein anderer Wind. Abgesehen von der rechtlichen Unsicherheit, ob nun auch im Saargebiet das Reichskonkordat von 1933 zu gelten hatte oder beispielsweise das bayerische Konkordat für die Gemeinden galt, die  (wie Ensheim) zum Bistum Speyer gehörten, gab es schon im Rückgliederungsjahr 1935 und in den folgenden Jahren immer öfter Probleme zwischen der Katholischen Kirche und den Naziorganen, insbesondere wegen der massiven Eingriffe der Nationalsozialisten in die Jugendarbeit und in den Aktionen gegen die kirchlichen Vereine. Höhepunkt des Kirchenkampfes war der Kampf um die Bekenntnisschule, den die christlichen Kirchen an der Saar im Frühjahr 1937 verloren geben mussten.

Über die Verweigerung von Geistlichen berichtet Thomas WAGNER:

Allein im Saarland haben 213 Priester und Ordensleute solche Konfrontationen in Form von Verhören, Verwarnungen, Bestrafungen erlebt. Diese Strafen reichten von der Verwarnung über die Einleitung eines Strafverfahrens bis zu Geldstrafe, Gehaltskürzung, Ausweisung, Berufsverbot, Haftstrafe und KZ-Haft. Die Situation entsprach der im Reichsgebiet. Der Widerstand der Kleriker gegen das Regime bestand vor allem in verschiedenen Formen der Verweigerung und im Insistieren auf alten kirchlichen Traditionen. Dies betraf vor allem die Verstöße gegen das Reichsflaggengesetz, die Läuteordnung, die Feiertagsgesetze, Sammlungsgesetzte, die Verordnung zur Behandlung von Seelsorge von Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen und die Verordnung über konfessionelle Jugendarbeit. (op.cit., 140)

Wie sich Pfarrer Konrath gegenüber den Ensheimer Nationalsozialisten verhalten hat, die aus seiner Gemeinde kamen, ließ sich bislang nicht ermitteln, weil die Zeit der Naziherrschaft in Ensheim nach wie vor ein Tabu ist, das kaum jemand zu brechen bereit war und ist. Auch ist nicht klar, ob die obige Erwähnung Konraths als Verfolgter des Naziregimes im Jahr 1947 im Zusammenhang mit den großangelegten Reinwaschungsaktionen (»Persilschein«) der ersten Nachkriegsjahre zu sehen ist. Das Beispiel Prof. Dr. Oskar Orth hat ja deutlich gezeigt, dass damals auch schwer Belastete plötzlich einen solchen »Persilschein« ausgestellt bekamen, übrigens oft unter Mithilfe kirchlicher Stellen.

Tatsache ist jedenfalls, dass sich die überwiegende Mehrheit der Ensheimer Wahlberechtigten - und damit auch auch die Mehrheit der Katholiken - 1935 für die Rückgliederung der Saar an das Dritte Reich ausgesprochen hatten - und dies in Kenntnis der politischen Ereignisse in Nazideutschland in den zwei Jahren seit der "Machtergreifung" Hitlers am 30. Januar 1933. 

Ob Pfarrer Konrath Ensheimer Nazis aus seiner Pfarrgemeinde exkommuniziert hat, ist nicht bekannt. Vielleicht erklärt dies, warum Pfarrer Konrath in seinem Pfarrbrief an die Pfarrgemeinde vom Peterstag 1940 die in der Evakuierung befindlichen Ensheimer Katholiken bittet, die politische und militärische Führung in ihre Dankgebete einzuschließen. Hier wäre für einen Mann der Kirche sicherlich mehr Zurückhaltung angebracht  gewesen, aber vielleicht teilte Pfarrer Konrath nach dem »Blitzsieg« gegen Frankreich nur die nationale »Besoffenheit« der meisten seiner Landsleute, als die schnellen militärischen Erfolge auch viele Menschen in ihren Bann zogen, die Hitler zuvor ablehnend oder zumindest indifferent gegenüber gestanden hatten.

Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass man dem  nach dem Ende der Nazidiktatur zurückgekehrten Pfarrer Franz, der bekanntermaßen ein Opfer des Nationalsozialismus war, von Seiten des Bistums Speyer verwehrt hat, auf seine frühere Pfarrstelle in Ensheim zurückzukehren (!). Die Gründe dafür sind nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, daß die bischöfliche Behörde in Speyer Konflikte mit jenen Ensheimer Katholiken vermeiden wollte, die bei der Saarabstimmung 1935 für die Rückkehr ans Deutsche Reich gestimmt hatten.

Pfarrer Konrath begleitete einige seiner "Pfarrkinder" im Jahr 1939 in die Evakuierung nach Würzburg-Heidingsfeld. Die Evakuierungsmaßnahmen des Jahres 1939 wurden staatlicherseits angeordnet. Ob  dies auch für die Evakuierung des Ortsgeistlichen galt, konnte bislang nicht ermittelt werden.

Vom Bistum Speyer erhielt ich im Februar 2002 freundlicherweise die folgende Stellungnahme:

Das Bistum hat sie [= die Evakuierung; PG] sicher nicht organisiert und war an der Entscheidung nicht beteiligt, zumindest ist nichts darüber bekannt. Gewünscht war sicherlich auch, daß sich die Pfarrer bei der Mehrzahl ihrer Pfarrkinder aufhielten.

 

Evakuierungsort WÜ-Heidingsfeld

Die Zeit der Evakuierung in Heidingsfeld lässt sich aufgrund der schlechten Quellenlage - die meisten Unterlagen gingen bei den alliierten Luftangriffen im Frühjahr 1945 auf Würzburg und Heidingsfeld verloren - nicht mehr ganz erhellen. Sicher ist, dass bereits am 20. August 1939 - also fast zwei Wochen vor Kriegsbeginn - die ersten "Rückwanderer" aus dem Saarland im Kloster der Armen Schulschwestern in Heidingsfeld einquartiert wurden. 

Im Bildhintergrund: die alte Klosterkirche, daran anschließend die 1927/28 erbaute Haushaltungsschule
der Armen Schulschwestern, wo viele der "Rückgeführten" untergebracht waren.

Wie die Klosterchronik vermerkt, waren dies "Mütter mit kleinen und kleinsten Kindern" sowie hochschwangere Frauen. Am 1. September 1939 - also bei Kriegsbeginn - und einen Tag später wurden weitere SaarländerInnen aufgenommen, darunter "20 Hitlerjungen". Ob Pfarrer Konrath bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nach Heidingsfeld kam, ließ sich nicht ermitteln. Sicher belegt ist dagegen der Tag seiner Abreise am 12. Dezember 1942. In der Zeit dazwischen war Pfarrer Konrath in der Klosterstraße 3 in Heidingsfeld untergebracht.

(Fotomontage aus alter Karte und modernem Stadtplan)

Das Haus Klosterstraße 3, in dem Pfarrer Konrath 1939 - 1942 wohnte, ist ganz links zu sehen.
Im Hintergrund links befindet sich das Kloster der Armen Schulschwestern mit der Klosterkirche.

Wie der Pfarrbrief vom Peterstag 1940 und auch die Klosterchronik der Armen Schulschwestern belegen, hat Pfarrer Konrath die Heidingsfelder Pfarrkirche St. Laurentius für einen feierlichen Dankgottesdienst mit Ansprache und Te Deum am 20.08.1940 nutzen dürfen, nach dem jeder Heimkehrer ein geweihtes Kreuz zum Abschied bekam.

Innenansicht der am 16.03.1945 total zerstörten katholischen Pfarrkirche
St. Laurentius Heidingsfeld

Wie die Klosterchronik vermerkt, kehrten die meisten evakuierten SaarländerInnen am 22.08.1940 wieder in die Heimat zurück. Warum sich Pfarrer Konrath sehr viel länger als die übrigen "Rückwanderer" in Heidingsfeld aufgehalten hat, konnte nicht geklärt werden, aber offenbar waren weiterhin kranke "Rückwanderer" in Heidingsfeld und Umgebung. In der Klosterchronik Heidingsfeld  wurde am 25.12.1940 notiert:

Im Krankensaal zelebrierte H.H. Pfarrer Alois Konrath aus Ensheim/Saar eine Messe. Er hatte sich in Heidingsfeld niedergelassen und betreute von da aus seine in verschiedene Gegenden zerstreuten Pfarrkinder.

Dieser Eintrag scheint etwas widersprüchlich, weil dieselbe Chronik bereits am 24.09.1940 vermeldet, dass die letzten Rückgeführten - Frau Walter mit zwei Kindern, zwei Großmütter und eine Tante - in das Saarland zurückgekehrt seien.

Bei der zweiten Evakuierung 1944/45 lagen die Dinge ganz anders. Diese Evakuierung war nicht von langer Hand vorbereitet wie die erste und lief deshalb höchst unterschiedlich ab, oft als unorganisierte Flucht vor den drohenden Kriegshandlungen. Viele Ensheimer verließen ihre Heimat bereits, als in der Ferne der Kanonendonner zu hören war (ca. Dezember). Andere leisteten nach den leidvollen Erfahrungen 1939/40 dem Freimachungsbefehl keine Folge und blieben in Ensheim, um ihr Vermögen zu sichern. 

Wann genau Pfarrer Konrath anlässlich der 2. Evakuierung seine Gemeinde verlassen hat, ließ sich bis jetzt nicht ermitteln. Im Februar 1945 traf er mit einem Kuhfuhrwerk (!) - wahrscheinlich von Pirmasens kommend - in Biedershausen bei Landstuhl ein, wo er sich zwei oder drei Monate aufgehalten hat. Zusammen mit seiner Schwester war er bei Familie Rubly in der Hauptstraße 5 untergebracht. Als am 15. März 1945 die Amerikaner in den Ort eingerückt sind, hat nur ein Haus einen Kanonentreffer abbekommen: jenes Haus, in dem Pfarrer Konrath untergebracht war, worauf Pfarrer Konrath höchstpersönlich die weiße Fahne gehisst hat. Dass Pfarrer Konrath sich Biedershausen als Evakuierungsort ausgesucht hatte, hatte seinen Grund vermutlich darin, dass er vor seiner Investitur in Ensheim in der Pfarrei Labach, zu der Biedershausen damals wie heute gehörte, Pfarrer gewesen war.

Durch seine Flucht im Frühjahr 1945 ließ Pfarrer Konrath die in Ensheim gebliebenen Pfarrmitglieder ohne geistigen Beistand zurück - anders als etwa der Eschringer Pfarrer, der expressis verbis die Not und die Lebensgefahr in der Heimat mit den Zurückgebliebenen geteilt hat. Dies hat ihm damals zwar die Kritik seines Eschringer Amtskollegen eingebracht, hat seinem langen und erfolgreichen Wirken in Ensheim aber offenbar nicht geschadet.

In seinem Nachruf liest sich das so:

"...begleitete sie in das Evakuierungsgebiet. Auch dort wollte er seinen aus der Heimat vertriebenen Pfarrangehörigen in ihren Sorgen und Nöten beistehen."  

Im Nachruf in der Saarbrücker Zeitung vom 23.10.1967 heißt es weiter:

"Nach der Rückkehr in die Heimat widmete er sich der Wiederinstandsetzung der Kirche und des Pfarrhauses, an denen schwerer Kriegsschaden zu verzeichnen waren. In die Zeit seines priesterlichen Wirkens in Ensheim fiel die Beschaffung einer neuen Orgel, die Errichtung einer neuen Leichenhalle sowie der Neubau einer zwölfklassigen Schule auf dem Wickersberg."

Pfarrer Alois Konrath, den ich selbst noch kannte und unter dem ich einige Jahre Messdiener war, starb nach kurzer, schwerer Krankheit am 22. Oktober 1967 und wurde drei Tage später in Ensheim beigesetzt.


Quellen:


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Last update: 26.07.2005